Naturerfahrung
Kinder, die draußen spielen, suchen oft Naturräume auf, die Wiese, den Wald, den Bach, die Büsche am Straßenrand oder den Garten. Warum?
Brauchen Kinder Natur für ihre Entwicklung? Richard Louv geht davon aus, dass die meisten heutigen Kinder viel zuwenig Kontakt zur Natur haben und deshalb unter einer Natur-Defizit-Störung leiden. Folgen sind Hyperaktivität, die Flucht in virtuelle Welten, Gewalt und Sucht und nicht zuletzt Gleichgültigkeit zu Natur und Umwelt.
Was reizt Kinder an Wald, Wiese und Bach? Die Natur ist vielfältig. Man sich verstecken, wird nicht so kontrolliert, man muss hinterher nicht aufräumen. Naturmaterialien sind weit herausfordernder als Legosteine oder die Rutsche auf dem Spielplatz. Kinder können sich lange mit ihnen beschäftigen und „beherrschen" sie dann immer noch nicht völlig. Naturbestandteile reagieren überraschend, als Baumaterialien und als Teil einer komplexen Umgebung. Tiere, aber auch Pflanzen werden als Lebewesen wahrgenommen, haben einen „eigenen Kopf", sind keine Dinge, die man einfach so nimmt und wieder wegwirft.
Spiel in der Natur wirkt stressmildernd und konzentrationsfördernd auf Kinder. Rückblickend verbinden viele Erwachsene Naturerfahrungen in ihrer Kindheit mit Freiheit und mit Glück.
Empfindungen von Kälte und Hitze, Insektenstiche, die Grenzen der eigenen Fähigkeit beim Bäumeklettern zu erkennen, zu spüren, dass ein Insekt „Angst" hat, wenn man ihm zu nahe kommt, machen, dass das Kind sich selbst als Teil der Natur fühlt.
Forscher fanden, dass gerade vorpubertäre Kinder ein ausgesprochen emotionales Verhältnis zur Natur entwickeln, dass sie die in der Kindheit umgebende Natur auch später als „Heimat" empfinden.
Und: Die meisten Menschen, die sich für eine intakte Umwelt einsetzen, haben in ihrer Kindheit ausgiebige eigene Naturerfahrungen im Spiel gemacht.
Umweltbewusstsein ist kein schmückendes Beiwerk. Menschen SIND Teil der Natur. Immer mehr Menschen leben auf der Erde, von immer weniger Ressourcen. Intelligente, umweltschonende, konfliktarme Lösungen für die Zukunft sind für unsere Kinder noch wichtiger als für uns.
Quellen
Raith, Andreas; Lude, Armin; Kohler, Beate (2014): Startkapital Natur. Wie Naturerfahrung die kindliche Entwicklung fördert. München: oekom
Ulrich Gebhard: Kind und Natur, Die Bedeutung der Natur für die psychische Entwicklung, 2009, VS Verlag, Wiesbaden
Norbert Jung: Ganzheitlichkeit in der Umweltbildung: Interdiszplinäre Konzeptualisierung. Aus: M. Brodowski u.a.: Informelles Lernen und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, 2009, Budrich Verlag, Opladen/Farmington Hills S. 129-149
Weiterführende Literatur
Richard Louv: Das letzte Kind im Wald? Geben wir unseren Kindern die Natur zurück, Beltz, Weinheim/Basel, 2011
Hans-Joachim Schemel, Torsten Wilke: Kinder und Natur in der Stadt, BfN-Skripten 230, 2008. Kostenlos erhältlich unter: Bundesamt für Naturschutz, Konstantinstr. 110, 53179 Bonn
Hier ein Link zu einem guten Artikel von Andreas Weber in GEO 8/10 GEO Naturerfahrung
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