Kinderbücher

Warum geht es hier um Lesen? Lesen ist doch das Gegenteil von Spiel. Man ist allein, bewegungslos und kein bisschen kreativ, man konsumiert. Dass Lesen die Sprachfähigkeit, die Selbstreflexion stärkt, ist richtig, aber nicht Thema dieser Internetseite. Aber: erfolgreiche Kinderbücher zeigen uns die Träume von Kindern: Aktivität, nicht Konsum und Belehrung.

Hier werden Kinderbücher vorgestellt, in denen das Draußenspiel einen großen Teil der Handlung ausmacht.

DIESE BÜCHER HANDELN NUR VOM DRAUßENSPIEL:

Astrid Lindgren: Die Kinder aus Bullerbü

Lisa, ihre Geschwister und ihre Freunde leben in drei benachbarten Bauernhäusern im Schweden der 1920er Jahre. Wenn sie nicht in der Schule sind, spielen sie zu Hause, beim Einkaufen, auf dem Schulweg, bauen Verstecke im Heu, spielen in den Büschen mit ihren Puppen, rudern auf dem See, zerstreiten sich und vertragen sich … und begeistern damit seit Jahrzehnten vor allem ihre Leserinnen. (ab 7 Jahren, zum Vorlesen schon früher)

Astrid Lindgren: Ferien auf Saltkrokan

Pelle und seine Geschwister verleben jedes Jahr ihre Sommerferien auf Saltkrokan, einer kleinen schwedischen Insel und spielen mit anderen Kindern, erkunden Nachbarinseln, bauen Verstecke, spielen Seeräuber, kümmern sich um ihre Haustiere. Ebenso wie „Bullerbü“ ein Klassiker. (ab 8 Jahren)

Kirsten Boie: Sommer im Möwenweg

Tara und ihre Geschwister ziehen in eine Reihenhaussiedlung, freunden sich mit den Nachbarskindern an und spielen, streiten, entdecken. Mittlerweile gibt es schon eine ganze Buchreihe über die Kinder im Möwenweg. (ab 7 Jahren)

Friedrich Karl Waechter: Wir können noch viel zusammen machen

Die Tierkinder haben wunderbare Eltern, die mit ihnen spielen. Aber sie langweilen sich ohne Freunde trotzdem. Dann begegnen sie sich zufällig und spielen gemeinsam… (Bilderbuch)

Weitere Vorschläge für Bücher, in denen Kinder unbeobachtet spielen und daraus Abenteuer entstehen:

Mark Twain: Tom Sawyers Abenteuer

Der Waisenjunge Tom Sawyer lebt mit seinem Bruder bei seiner Tante in einer Kleinstadt der USA im 19. Jahrhundert. Er spielt mit den anderen Kindern, vor allem mit dem Herumtreiber Huckleberry Finn. Beide erleben Abenteuer. (Das Buch gibt es in vielen Bearbeitungen, ab ca. 10 Jahren)

Wilhelm Matthießen: Das rote U

Fünf Düsseldorfer Kinder um 1930 spielen und verüben Streiche. Eines Tages erhalten sie Post vom Roten U, dass ihre Streiche verraten will, wenn sie nicht seine Aufgaben erfüllen. Die Aufgaben sind keine Schlechtigkeiten und werden mit Feuereifer erfüllt, bis es gefährlich wird. (ab 9 Jahren)

Astrid Lindgren: Kalle Blomquist

Kalle Blomquist und seine Freunde versuchen, einer anderen Kinderbande einen Stein, der an einem geheimen Ort liegt, abzujagen. Dabei kommen sie unversehens Verbrechen auf die Spur. (ab 9 Jahren)

Kinderbücher sind erfolgreich, wenn sie den Nerv der Kinder treffen, wenn die handelnden Personen etwas erleben, sich selbstständig bewähren müssen, Abenteuer durchstehen, Geheimnisse lüften. Das erscheint selbstverständlich, ist es aber nicht. Erfolgreiche Kinderbücher spiegeln nicht den Alltag heutiger Kinder wider. Eher ähneln die Handlungen Wirklichkeit gewordenen Rollen beim Draußenspiel.

In Kinderbuchbestsellern gibt es keine langen Reflexionen über das Schulwissen oder über Medieninhalte. Auch ausführliche Beschreibungen von neu erworbenen Konsumgütern sucht man vergebens.

Schulunterricht ist höchstens Anlass, um sich zu treffen, und Ausgangspunkt von Konflikten, die gelöst werden müssen, oder von Abenteuern. Medienkonsum kommt so gut wie nicht vor. Harry Potter findet im Unterricht Hinweise, wie er die Zaubererwelt retten kann, was dann den Hauptteil der Handlung ausmacht. Pippi Langstrumpf macht sich lustig über die Schule und die „Fünf Freunde“ finden pünktlich zu Ferienbeginn Hinweise auf Verbrechen.

Da hatten es das deutsche „Tigerteam“ und die „TKKG“ besser: Sie konnten auch am Nachmittag nach der Schule auf Verbrecherjagd gehen. Das wird angesichts von fast flächendeckendem Ganztagsunterricht in Zukunft schwierig.

Bücher, die eher von Mädchen gelesen werden, haben häufiger einen realistischen Hintergrund. In den vielen Pferdebüchern oder Internatsbüchern leben Mädchen in einer überschaubaren Umgebung und lösen ihre zwischenmenschlichen Konflikte selbstständig.

Bücher, die auch oder vorwiegend Jungen ansprechen, haben weniger mit einer Umgebung zu tun, die von Erwachsenen gelenkt wird. Die handelnden Kinder müssen Härten auf sich nehmen und leisten einen Beitrag dazu, die Erwachsenenwelt von Schlechtem zu befreien.

Spiegelt sich hier wider, dass Mädchen ihre Sehnsüchte zu einem größeren Teil in der heutigen Realität ausleben können als Jungen, die lieber in virtuelle Welten flüchten? Kinderbücher, die in den letzten Jahren erfolgreich waren, spielen oft in einer Parallelwelt, die völlig anders funktioniert als unsere: „Harry Potter“, „Die Tribute von Panem“, „Tintenherz“. Sind Handlungsabläufe, die fiktive Erlebnisse von Kindern darstellen und in der heutigen Wirklichkeit angesiedelt werden können, nicht mehr denkbar?

Was die Handlungen von erfolgreichen Kinderbüchern ausmacht, Selbstständigkeit, die geringe Rolle von Erwachsenen, das durchaus nicht immer harmonische Miteinander unter Kindern, das Entdecken von Geheimnissen in der Umgebung, hat weniger mit der heutigen Kindheit als mit den Kindheiten zur Zeit der evolutionären Entwicklung des Menschen zu tun und viel mit dem Draußenspiel.

Zum Weiterlesen

Christiane Richard-Elsner: Abenteuer – nur im Kinderbuch? Unerzogen, (2) 2015, S. 20-24,  hier geht es zur pdf

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