Wer setzt sich für Draußenspiel ein?
Nicht nur der ABA-Fachverband auch andere Institutionen oder Einzelpersonen engagieren sich, damit Kinder Freiraum zum Draußenspiel bekommen. Diese stellen sich im Folgenden vor. Wir hoffen, dass noch viele weitere dazu kommen.
Das Bündnis Recht auf Spiel ist eine Initiative des Deutschen Kinderhilfswerkes. In dem deutschsprachigen Netzwerk haben sich Fachkräfte unterschiedlicher Berufe, Institutionen und Organisationen zusammengeschlossen. Zusammen mit engagierten Privatpersonen haben sie sich zum Ziel gesetzt, eine Lobby für Kinder und Jugendliche zu sein.
Das Bündnis Recht auf Spiel
– stellt das Recht auf Spiel, wie es in der UN-Konvention für die Rechte des Kindes festgeschrieben ist, aus verschiedenen Perspektiven öffentlich dar;
– tritt dafür ein, die Spielwelten und Spielkulturen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, aufzubauen, zurück zu gewinnen und zu sichern;
– will durch Vernetzung, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit dazu beitragen, das Recht auf freies Spiel – jederzeit und überall – in Deutschland politisch durchzusetzen und vor Ort mit vielen Partnern auch konkret zu verwirklichen.
Die Mitgliedschaft ist kostenfrei. Wir freuen uns über Ihre Teilnahme: http://www.recht-auf-spiel.de/site/buendnis/mitglied-werden
Autor: Holger Hofmann, Bündnis Recht auf Spiel
Die Natur bietet ideale Gelegenheiten für das Draußenspielen von Kindern – auch in der Stadt. Aber solche Räume müssen mit Hilfe der kommunalen Bauleitplanung vor anderen Nutzungsansprüchen gesichert werden. Um eine spielerisch erlebbare Natur in der Stadt besser erhalten und auch neu entwickeln zu können, gibt es eine eigene Flächenkategorie: die Städtischen Naturerfahrungsräume (NERäume).
Was sind NERäume? Das sind naturnahe („wilde“) Flächen, auf denen sich die Tier- und Pflanzenwelt frei (weitgehend ungestaltet, nur mit sehr zurückhaltender Pflege) entwickelt und wo ältere Kinder frei (ohne Anleitung und Kontrolle) spielen können. NERäume sind Wohngebieten direkt zugeordnet, damit sie von Kindern leicht und gefahrlos erreichbar sind. Ein NERaum muss groß genug sein (mindestens ein Hektar, also 100 mal 100 m), damit sich die Kinder „in der Natur“ fühlen können, also die gebaute oder intensiv gestaltete Umgebung mit ihren optischen und akustischen Störeinflüssen auf Distanz gehalten wird.
Welche Flächen eignen sich? Ein NERaum wird entweder aus Flächen mit naturferner Nutzung (Acker, Intensivgründland, Rasen) entwickelt oder eine bestehende naturnahe Brachfläche wird planerisch festgelegt als Spielraum im Charakter eines NERaumes.
NERäume reizen zum Draußenspielen. Sofern die naturnahe Fläche (etwa eine ebene Wiese) zu monoton ist, um für das Spiel der Kinder (ab ca. 7 Jahren) attraktiv genug zu sein, kann in einer einmaligen Aktion eine interessante Ausgangssituation geschaffen werden: auf Teilflächen wird mit einem Baggereinsatz eine bewegte Geländeform ( „Naturspielberge“) hergestellt und/ oder es wird ein Wasserbereich angelegt (z.B. durch Öffnung eines unterirdisch verrohrten Baches).
Was ist das Besondere? Kinder können in NERäumen ungestört und eigenständig die natürlichen Prozesse erleben und in ihr Spiel einbeziehen. Darin unterscheiden sich NERäume von pädagogisch betreuten Abenteuerspielplätzen und von mit Verboten belegten Naturschutzflächen. NERäume sind auch nicht zu verwechseln mit naturfernen Spielräumen, die mit natürlichen Materialien gestaltet sind und nur kleine naturbelassene Flächen aufweisen.
NERäume wirken der bereits weit fortgeschrittenen Entfremdung der Kinder von Natur entgegen. Kinder lernen, sich aufmerksam in der Natur zu bewegen. So genannte „versteckte Gefahren“, die ältere Kinder überfordern, sind zu vermeiden. Das Spielen in der Natur erhöht die Risikokompetenz, etwa das Klettern auf Bäume. Die alltägliche Begegnung mit Natur fördert eine körperlich und seelisch gesunde Entwicklung unserer Kinder.
SCHEMEL, H.J. / WILKE, T. (2008): Kinder und Natur in der Stadt. Untertitel: Spielraum Natur – Ein Handbuch für Kommunalpolitiker, Planer sowie Eltern und Agenda-21-Initiativen. BfN-Skripten 230 (272 Seiten bebildert)
Autor: Dr. Hans-Joachim Schemel, Stadtplaner und Landschaftsarchitekt, Büro für Umweltforschung und Stadtentwicklung, Sprecher des bundesweiten Arbeitskreises Städtische Naturerfahrungsräume, siehe www.naturerfahrungsraum.de
Autor: Hans-Joachim Schemel, www.naturerfahrungsraum.de
Das Deutsche Kinderhilfswerk ist eine überregionale Spenden– und Lobbyorganisation, die seit nun 40 Jahren kinderpolitische Zielstellungen gemeinsam mit Kommunen, den Ländern und dem BUND entwickelt sowie hierzu zahlreiche Veranstaltungen und Veröffentlichungen durchgeführt hat. Ein wesentliches Ziel ist, die Spielraumsituation für Kinder zu verbessern.
Im Leitbild ist die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention verankert, insbesondere die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den sie betreffenden Fragen und die Bekämpfung von Kinderarmut. Von Anfang an hat sich das Deutsche Kinderhilfswerk der Spielplatzsituation in Deutschland gewidmet. Seitdem haben über 500 Spielplätze, Kita- oder Schulhofumgestaltungen von dem „Spielraumfonds“ des Deutschen Kinderhilfswerkes profitiert. In den 80er Jahren wurde darüber hinaus Grundlagenarbeit geleistet, Qualitäten wurden entwickelt und definiert – Rutsche, Wippe und Buddelkasten gehören seitdem zu den Auslaufmodellen. Diese weltweit anerkannten Errungenschaften dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass viele der schätzungsweise 40.000 Spielplätze in Deutschland in einem verwahrlosten Zustand und Schulhöfe oft öde gestaltet sind. Hinzu kommt, dass nach wie vor Spielplätze mit den ästhetischen Ansprüchen von Erwachsenen ausgestattet werden und Kinder selten von Beginn an mitplanen und gestalten dürfen.
Seit 10 Jahren stehen die Spiel- und Bewegungsräume in der Stadt oder Gemeinde insgesamt im Fokus der inhaltlichen Arbeit des Deutschen Kinderhilfswerkes. Grund dafür war, dass das selbstständige Erkunden der häuslichen Umgebung oder ein gefahrloses Spielen auf Straßen, Gehwegen und Plätzen zunehmend schwieriger wurde. Natürliche oder gestaltbare Freiflächen sind rar oder weit entfernt. Daher ist für viele Kinder an die Stelle der bewegungsreichen Aktivitäten im Wohnumfeld oftmals das Spielen im Kinderzimmer oder die Beschäftigung mit dem Computer getreten. Erfahrungen mit Freunden, draußen, in der Natur kennen Kinder heute immer weniger, dadurch gehen ihnen entscheidende Sozialisationserfahrungen verloren. Damit sich Freiräume für Kinder im öffentlichen Raum wieder entwickeln, tritt das Deutsche Kinderhilfswerk dafür ein, dass in der Stadtentwicklung anstatt den Prämissen der Funktionalität und Ästhetik wieder mehr Erfahrungs- und Interaktionsqualität in den Vordergrund rücken. Die Bedeutung des öffentlichen Raums „als dritter Pädagoge“ muss die fachliche Diskussion von Planerinnen und Planern bestimmen.
Mit dem Bündnis Recht auf Spiel hat das Deutsche Kinderhilfswerk 2008 ein nationales Netzwerk ins Leben gerufen, in dem alle relevanten Professionen zum Thema Spiel zusammenarbeiten, um das Recht auf Spiel, wie es in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten ist, zu verwirklichen.
Das Deutsche Kinderhilfswerk unterstützt mit seinem Förderfonds Spielraum (Antragsfristen 30.03. und 30.09) Projekte von Schulen, Jugendeinrichtungen, Sportvereinen, Nachbarschaftsinitiativen oder Kommunen, welche unter der Beteiligung von Kindern bestehende Spielorte verbessern oder anregungsreiche Spielräume im Wohnumfeld schaffen. Mit dem ABA Fachverband, der BAG Spielmobile,
dem Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze und den Vereinen Spiellandschaft Stadt München Spiellandschaft Bremen besteht eine langjährige Partnerschaft zur Verwirklichung des Rechtes auf Spiel von Kindern.
Autor: Holger Hofmann, Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Die in Herne und Bochum tätige Naturschutzeinrichtung will mit ihrem Projekt „Wildnis für Kinder“ der Naturentfremdung unter Heranwachsenden entgegenwirken. In Kooperation mit den Kommunen, den Kindern, Eltern und Anwohnern sowie der Nordrhein-Westfalen Stiftung sichert und entwickelt sie quartiernahe, urbane Freiflächen als Naturerfahrungsräume.
Die Biologische Station Östliches Ruhrgebiet ist eine Einrichtung für Naturschutz in den Großstädten Herne und Bochum. Der wachsenden Naturentfremdung unter Kinder entgegen zu wirken ist eines ihrer Ziele. Dazu entwickelt und gestaltet sie unter dem Begriff „Wildnis für Kinder“ Naturerfahrungsräume für die Altersgruppe der 7-12-Jährigen. Dort ist ihnen ausdrücklich erlaubt, z.B. einen Ast abzuknicken oder eine Heuschrecke zu fangen. Die Kinder profitieren vielfältig: Abwechslungsreiche Natur bietet in idealer Weise das Wechselspiel zwischen Vertrautem und Neuem für eine gesunde Entwicklung. Völlig beiläufig trainieren sie motorische Fähigkeiten und soziale Kompetenzen.
Autor: Jürgen Heuser, Biologische Station Östliches Ruhrgebiet
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e.V. (BAG) ist ein gemeinnütziger Verein, der durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Seit über 50 Jahren unterstützt und begleitet die BAG Multiplikatoren in den Settings Kindertagesstätte, Schule und Verein und setzt sich für Rahmenbedingungen ein, die ein selbständiges Entfalten natürlicher Bewegungsbedürfnisse bei Kindern und Jugendlichen ermöglichen.
Bewegung und Spiel sind neben Anerkennung, Liebe, Lob und Wertschätzung ein Grundbedürfnis eines jeden Kindes und Jugendlichen. Auf spielerische Art und Weise bauen die Heranwachsenden körperliche, geistige, emotionale oder soziale Schutzfaktoren auf, die Grundlage der gesamten Persönlichkeitsentwicklung und infolgedessen Voraussetzung für Gesundheit und Bildung sind.
Kinder sind die Gestalter ihrer eigenen Persönlichkeit und benötigen (Frei- )Räume, die sie selbst gestalten, in denen sie selbst ihre Intentionen einsetzen, diese mit anderen verhandeln müssen, in denen sie sich als verlässliche Spielpartner erweisen und abgesprochene Regeln und Vereinbarungen einhalten und in denen sie Akzeptanz und Anerkennung von Gleichaltrigen erfahren können.
Gleichzeitig sind sie auf Begleiter angewiesen, die ihnen ausreichend Gelegenheiten geben, Erfahrungen zu sammeln und Kompetenzen aufzubauen, sie wertschätzen, respektieren und unterstützen.
Neben dem sozialen Umfeld sieht die BAG in der Gestaltung flexibler, herausfordernder und naturnaher Innen – und Außenräume wesentliches Entwicklungspotential, so dass sie Kindertageseinrichtungen und Schulen im Rahmen ihrer Fortbildungen unterstützt, ihre Räume so zu konzipieren, dass diese als Lern-, Lebens- und Bewegungsraum verstanden werden können.
Unsere Tätigkeitsschwerpunkte
· Aus- und Weiterbildung im Bereich Bildung-Bewegung-Gesundheit in Form von Seminaren, Kursen, Fachtagungen oder Teamfortbildungen
· Konzeptionelle Tätigkeiten und Begleitung wissenschaftlicher Projekte
· Erstellung und Veröffentlichung von Publikationen
· Öffentlichkeitsarbeit in Form von Presseveröffentlichungen und Vorträgen
· Beratung von Firmen bei der Entwicklung bewegungsfördernder Produkte und Konzepte
Unsere Zielgruppen
Erzieher/-innen, Lehrkräfte, Fachkräfte aus medizinischen und sozialen Berufen, Eltern, Unternehmen und Institutionen.
Ansprechpartnerin: Janka Heller
Leiterin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung
Die BAG e.V. wird gefördert durch das:
SpielLandschaftStadt entwickelt die „bespielbare Stadt“ und verbessert die Lebensqualität für Familien in Bremen. Die Hauptaufgabe ist es, eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu schaffen.
Kinder wollen dort spielen, wo sie leben und wo sie andere Kinder treffen. Sie benötigen eine Vielfalt von nutzungsoffenen, anregenden und veränderbaren Freiflächen, um die Welt zu entdecken.
SpielLandschaftStadt führt die Gemeinschaftsaktion „SpielRäume schaffen“ durch – eine Kooperation zwischen dem Deutschen Kinderhilfswerk und der Bremer Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen. Das Mobil-Team „SpielRäume schaffen“ informiert, berät und unterstützt Bürgerinnen und Bürger bei der Schaffung neuer Spielräume für Kinder und Treffpunkte für Jugendliche und hilft bei der Beantragung von Mitteln aus dem gleichnamigen Förderfonds.
Mit Kindern und Jugendlichen werden Beteiligungsprojekte durchgeführt und der Verein setzt sich für die Kinderrechte ein. Vor allem auf Schulhöfen, Spielplätzen und bei der Spielleitplanung werden Zukunftswerkstätten durchgeführt sowie Workshops, Planungszirkel und Bauaktionen.
Der Verein SpielLandschaftStadt hat ein digitales Spielflächeninformations-System (SIS) und den Bremer Familienstadtplan entwickelt, in dem alle Spiel- und Aktionsräume sowie alle öffentlichen Spielplätze Bremens erfasst sind und abgerufen werden können (siehe hierzu:Bremer Familienstadtplan).
bemil – das BewegungsErnährungsMobil verbindet auf Stadtteilfesten, temporären Spielstraßen und bei Projekten in benachteiligten Stadtquartieren Gesundheitsvorsorge mit Spaß und Spiel. Es besteht aus einer Bewegungsbaustelle und spielerischen Angeboten zu gesunder Ernährung.
Ein weiterer Schwerpunkt der Vereinsarbeit ist das Angebot von Weiterbildungsveranstaltungen für StadtplanerInnen, ErzieherInnen und andere pädagogische Fachkräfte, EntscheidungsträgerInnen und insbesondere Eltern. Wichtig sind dabei vor allem die Themen Spielen, Bewegung und Gesundheitsförderung sowie die damit verbundenen Fragen der Kindererziehung.
Die Veranstaltungen reichen von Fachvorträgen zu aktuellen Themen über praktische Seminare bis hin zu Veranstaltungen, die Eltern konkrete Tipps für den Erziehungsalltag geben. In der Regel jährlich erscheint die „SpielLandschaft Bremen“ zu Schwerpunktthemen, wie „Von Kindern lernen“, „Gesundheitsförderung“ oder „Mehrfachnutzung“.
SpielLandschaftStadt e.V. Bremen arbeitet sehr vernetzt auf regionaler und überregionaler Ebene und ist Mitglied im Bündnis Recht auf Spiel und der BAG Spielmobile.
Autor: Jürgen Brodbeck, SpielLandschaftStadt e.V. Bremen
Die Initiative für Große Kinder ist ein Kreis unter anderem von Wissenschaftlern, Pädagogen und Stadtentwicklern, die sich zusammen getan haben, um die Belange von Kindern zwischen Vorschul- und Jugendalter stärker in das Bewusstsein der verantwortlichen Erwachsenen in Familie, Schule und Gesellschaft zu bringen. Ein wesentlicher Punkt ist das Bedürfnis der Kinder nach Freiräumen und Selbstbestimmung.
Die Lebensbedingungen von Kindern in den Industrienationen haben sich dramatisch verändert: ihr Alltag wird nicht nur durch zunehmenden Medienkonsum, elektronische Spielsachen, veränderte Ernährungsgewohnheiten, geringe Geschwisterzahl und höheren Schuldruck bestimmt, sondern auch durch zurückgehende Bewegungs-, Begegnungs-, Spiel- und Erfahrungsräume. Das betrifft vor allem Kinder im Schulalter, die dem „Kleinkind- Spielplatz“ mit Sandkasten, Schaukel und Rutsche entwachsen sind, die sich aber von den gängigen Jugendfreizeitbeschäftigungen im Grunde doch noch nicht angesprochen fühlen.
Die „Großen Kinder“ zwischen etwa 6 und 14 Jahren brauchen für eine gesunde seelische, körperliche soziale und emotionale Entwicklung neben Unterweisung und Anleitung durch Erwachsene vor allem ausreichend Zeit und Raum, um ohne direkte Beeinflussung durch Erwachsene mit Gleichaltrigen zusammen zu sein, sich zu bewegen, aus eigener Initiative aktiv zu sein, sich im eigenständigen Spiel selbst zu erfahren, die Welt in einem allmählich größer werdenden Radius zu entdecken.
Forschungsergebnisse bestätigen immer wieder, dass Kinder, die genug Platz, Zeit, Anregungen und Altersgenossen haben, um diese grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft seltener fernsehen, besser in der Schule sind, sich gesünder fühlen und selbstsicherer sind, weniger aggressiv oder depressiv sind und weniger unter Stresssymptomen, wie Kopf- oder Bauchschmerzen sowie Schlafstörungen leiden und auch seltener Konzentrationsprobleme haben.
Darüber hinaus erwerben Kinder, die sich weitgehend eigenständig in der Umgebung ihrer Wohnung mit anderen Kindern treffen und auf eigene Faust ihre „Welt entdecken und erobern“ können, die ihre „eigenen“ Lebens- und Rückzugsräume haben, offenkundig jene wichtigen Schlüsselqualifikationen, die sie benötigen, um mit anderen befriedigend zusammenleben und zusammenarbeiten zu können. Davon profitieren Familie, Klassenklima und Freundeskreise.
Diese Qualifikationen sind auch für die modernen Dienstleistungsgesellschaft unabdingbar, werden gleichwohl bei jungen Bewerbern und Berufseinsteigern oftmals vermisst: Rücksichtnahme, Taktgefühl, Teamfähigkeit, Selbstsicherheit, Selbstkritik, Initiative, Kreativität, Improvisationsgabe, Beweglichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Risikoabschätzung, um nur einige zu nennen.
Es ist nicht nur im Interesse der Kinder selbst, sondern auch in unser aller im Interesse an der Zeit, dass wir uns als verantwortliche Erwachsene mit der Frage beschäftigen, wie Kindern zwischen Vorschul- und Jugendalter verloren gegangene Lebensqualität zurück gegeben werden kann, damit sie sich gut und gesund entwickeln können und sich als ernst zu nehmende Mitglieder in unserer Gesellschaft willkommen und beteiligt fühlen. Dazu gehört eine kindgerechte Kommune ebenso, wie eine kindgerechte Schule.
Autorin: Oggi Enderlein Initiative für große Kinder e.V.
Gibt es einen besseren Lern- und Erfahrungsraum als die Natur?
Beim Erkunden und Erleben von Natur werden alle Sinne angeregt und Lernreize für Kopf, Herz und Hand gesetzt. Es ist der perfekte Ort für ganzheitliches Lernen. Die Deutsche Wildtier Stiftung – Naturbildung versteht sich als Nahtstelle zwischen Naturschutz und Naturpädagogik.
Menschen für die Schönheit und Einzigartigkeit der Natur und insbesondere die heimischen Wildtiere zu begeistern, ist für uns der Schlüssel zu einem wirkungsvollen Natur– und Artenschutz. Unser Leitgedanke ist, und diesen prägte bereits der Stifter der Deutschen Wildtier Stiftung Haymo G. Rethwisch, dass man nur schützen könne, was man kennt und zu schätzen weiß. Eine erlebnis– und erfahrungsorientierte Naturbildung, wie wir sie verstehen, eröffnet Zugänge zur Natur: Sie macht auf spielerische, kreative, meditative und forschende Weise die Tier-, Pflanzen– und Umwelt begreifbar. Denn Naturerlebnisse liefern Anlässe, um Fragen zu stellen und Wissen zu erlangen – um zu forschen und erforschen.
Studien und Beobachtungen zeigen jedoch, dass die Naturentfremdung immer weiter zunimmt, immer weniger Kinder lernen die Natur spielend kennen. Die Zeit, die Kinder beim Spiel an der frischen Luft verbringen, ist dramatisch kürzer geworden. Der Radius, in dem Kinder sich um ihr Haus oder ihre Wohnung bewegen dürfen, ist geschrumpft. Viele Orte, an denen Kinder früher ausgelassen tobten oder ungestört träumten, sind verschwunden: das Wäldchen am Rande der Siedlung, die Brachflächen der Städte, Weiden und Wiesen. Dabei kann Naturbildung an vielen Orten stattfinden, großräumig oder auch im Kleinen: in der Schule, im städtischen Park, auf der Brachfläche, am Bachlauf und im Wald. Naturerfahrungen tragen dazu bei, dass Kinder sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln können– zu Persönlichkeiten, welche die Wechselwirkungen von Mensch und Natur verstehen und respektieren, zu Persönlichkeiten, welche die Natur als Lebensgrundlage achten und sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen einsetzen.
Wir begreifen unsere Aufgabe als gesellschaftliche Herausforderung und wollen eine nachhaltige Wirkung im Bereich der Naturbildung erzielen. Daher setzen wir uns für verschiedenste Projekte im Bereich der Naturbildung ein und sehen einen unserer Arbeitsschwerpunkte im Naturerleben in der Stadt. Wir möchten Natur für jeden erreichbar und erfahrbar machen.
Autorin: Stefanie Neumann, Deutsche Wildtierstiftung
Lothar Krappmann war von 2003 bis 2011 Mitglied der UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes. Er ist ein international anerkannter Wissenschaftler im Bereich Kinder und Kinderpolitik. Er setzt sich für das Recht auf Spiel ein, wie es im Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben ist.
Am 15. Januar 2015 hielt Lothar Krappmann den Vortrag „Das freie Spiel der Kinder“ auf der Tagung „Spielen ist Kinderrecht –Strategien für die Zukunft der Gesellschaft“, Deutsches Kinderhilfswerk, Berlin.
Er erklärt in diesem Vortrag, warum der UN-Kommentar zum Recht auf Spiel (Art. 31) notwendig ist:
– Eigenständiges Spiel ist unverzichtbar.
– Es ist ein vernachlässigter Bereich des Kinderlebens.
Er erläutert die Zielsetzungen des UN-Kommentars und, was die Staaten und besonders Deutschland tun müssen, um das Recht umzusetzen.
Hier geht es zum Vortrag: Krappmann_15_Januar_2015_-_Das_freie_Spiel_der_Kinder.pdf
Die Diplompädagogin und Kinder-und Jugendlichentherapeutin Gabriele Pohl beschäftigt sich seit Jahrzehnten theoretisch, aber vor allem auch praktisch mit dem kindlichen Spiel. Nichts – außer liebevollen Eltern – ist wertvoller für die kindliche Entwicklung als die Möglichkeit frei und ungehindert draußen mit anderen Kindern spielen zu können.
Ihr 2006 Jahren zum ersten Mal erschienenes Buch: „Kindheit- aufs Spiel gesetzt“ ist ein lebhaftes Plädoyer dafür, das freie, kreative kindliche Spiel als Voraussetzung für die Ausbildung kognitiver, sozialer, emotionaler und motorischer Fähigkeiten zu würdigen.
In dem von ihr gegründeten Kaspar Hauser Institut für heilende Pädagogik, Kunst und Psychotherapie in Mannheim setzt sie ganz auf das Spiel als aktive Lebensbewältigung, indem die Kinder aktiv, reaktiv und projektiv ihr Leben ordnen, verstehen und Strategien entwickeln, um Lebens- und Entwicklungskrisen zu bewältigen. Neben dem Figurenspiel als Medium wertet sie Sinneserleben und Selbstwirksamkeitserfahrung bei Abenteuernachmittagen und gemeinsamen Waldübernachtungen als hilfreiche Maßnahmen dafür.
Ängstlich werden Kinder heute von der sie umgebenden natürlichen Welt abgeschirmt, dürfen kaum noch alleine draußen sein und eigene Erfahrungen machen.
Die Natur als Rückzug und als Rückversicherung der eigenen Existenz wird nicht mehr als wesentlich erachtet. Die Möglichkeit, die die Natur bietet, dem Gestaltungswillen des Kindes und seiner Fantasie Raum zu geben, ist deutlich beschränkt.
Diesem Zeitphänomen muss entgegengewirkt werden, will man die leibliche, seelische und geistige Gesundheit der Kinder erhalten. Kinder und Jugendliche müssen die Sinnhaftigkeit ihres Daseins und Tuns erfahren, ihre Fähigkeiten entdecken und eine eigene Lebensperspektive entwickeln können. Die Schule leistet mit ihrem Konkurrenz- und Leistungsdruck und ihrem Schwerpunkt auf dem kognitiven Lernen dazu kaum einen Beitrag. Immer mehr verweigern sich daher dem System. Diese Heranwachsenden sind Seismographen für eine notwendige Umkehr in der Pädagogik.
Gabriele Pohl bereitet mit andern für diese Kinder eine Heimat vor im ZWISCHENRAUM für lebensnahes Lernen, für Individualentwicklung und seelische Gesundung, in der sich die Heranwachsenden im Kontakt mit der Natur, im Spiel, im Gestalten ihrer Umgebung, im Erleben der Elemente und in der gärtnerischen und landwirtschaftlichen, in der handwerklichen und künstlerischen Tätigkeit als Ganzes empfinden können, Sinn erleben und in Kontakt mit sich selber sind. Kinder tragen Gestaltungskräfte in sich, die Entfaltung in Freiheit brauchen.
Autorin: Gabriele Pohl, Kaspar Hauser Institut für heilende Pädagogik, Kunst und Psychotherapie , ZWISCHENRAUM für lebensnahes Lernen, für Individualentwicklung und seelische Gesundung
Weiterführende Literatur
Gabriele Pohl: Kindheit- aufs Spiel gesetzt, Berlin 2011, 3. Auflage
Gabriele Pohl: Lasst die Kinder raus! in: Erziehungskunst 3/2009 hier
Der Arzt und Wissenschaftler Herbert Renz-Polster beschäftigt sich in seinen populärwissenschaftlichen Büchern mit der modernen Kindheit. Auch aufgrund von Erkenntnissen aus der Evolutionsforschung setzt er sich für Freiraum und Spiel für Kinder ein.
Dr. Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler am Mannheimer Institut für Public Health der Uni Heidelberg und Autor zahlreicher Sachbücher. Wissenschaftlich hat er sich in den letzten Jahren vor allem mit dem Thema Gesundheitsförderung an Kindergärten beschäftigt. Daneben gilt sein Hauptinteresse dem Verständnis der kindlichen Entwicklung aus Sicht der Evolution.
In seinem zuletzt erschienenen Buch „Menschenkinder“ schreibt er von grundlegenden Erfahrungen, die Kinder in tausenden Jahren Entwicklungsgeschichte geprägt haben und die er als „artgerechte“ Bedingungen bezeichnet: Dabei geht es unter anderem um verlässliche frühkindliche Bindungen, reichhaltige soziale Erfahrungen unter Kindern sowie selbstgesteuertes Lernen.
Besonders bei den letzten Themen rückt automatisch das unstrukturierte Spiel in der Natur in den Mittelpunkt.
Bis in die jüngste Vergangenheit gehörte für Kinder das Spielen in der – anregenden und „widerständigen“ – Natur zu den Kernerfahrungen des Aufwachsens. Herbert Renz-Polster geht davon aus, dass damit Entwicklungsimpulse verbunden sind, die Kinder auch beim Aufbau fundamentaler Kompetenzen unterstützen.
Autor: Herbert Renz-Polster Kinder-verstehen
Weiterführende Literatur
Herbert Renz-Polster: Menschenkinder. Plädoyer für eine artgerechte Erziehung 2. Aufl. München, Kösel 2012
Herbert Renz-Polster: Kinder verstehen. Born to be wild. Wie die Evolution unsere Kinder prägt, München, Kösel 2009