Draußenspiel HEUTE
Die heutige Kindheit ist verinselt, verhäuslicht und pädagogisiert, sagen Sozialwissenschaftler. Kinder werden umsorgt. Sie werden von Erwachsenen zu von Erwachsenen geplanten Aktivitäten gebracht, wo sie von Erwachsenen vorgegebene Ziele erreichen sollen. Gelegenheit zur Selbsttätigkeit gibt es kaum.
Auf Bäume klettern, den ganzen Nachmittag auf dem Garagenhof bolzen, ohne Zeitdruck nasebohrend eine Libelle beobachten, mit nassen Schuhen nach Hause kommen, das waren vor einigen Jahrzehnten Bestandteile eines ganz normalen Kinderlebens. Die meisten Kinder spielten nachmittags nach der Schule oder in den Ferien allein oder mit anderen Kindern draußen.
Heute bringen Erwachsene Kinder auf ihre „Kinderinseln“. Immer mehr Kinder werden in die Schule gefahren, dann zum Musikunterricht, zum Fußballtraining oder zu Freunden. Kinder halten sich vor allem in geschlossenen Räumen auf, in der Schule, in der Kita oder zu Hause. In ihren Kinderzimmern sind sie von Spielzeug umgeben. Meist gibt es da auch einen Computer oder einen Fernseher. Auch bei den Freunden beschäftigen sie sich vor allem im Kinderzimmer.
Oder sie gehen auf den Spielplatz, begleitet von einem Erwachsenen, der bei der Schaukel steht oder bei der Rutsche aufpasst, dass niemand hinunterfällt. Und vor allem mit ständig neuen Anregungen dafür sorgt, dass sich niemand langweilt. Wenn Kinder doch allein gehen dürfen, sind auf dem Spielplatz bereits andere Erwachsene, die aufpassen, dass keine Konflikte ausbrechen.
Erwachsene, Eltern, Erzieherinnen nehmen sich sehr viel Zeit für die Kinder. Zuwendung braucht jedes Kind, nur so kann es gedeihen. Aber überfordert die ständige Aufmerksamkeit nicht viele Eltern und Erzieherinnen?
Kinder müssen Kompetenzen erwerben, um fit für den Wettbewerb in einer globalisierten Welt zu sein. Deshalb werden sie vom Kleinkindalter aufwärts pädagogisch begleitet. In der Kita und in der Ganztagsschule, in denen freies Spiel draußen auf langweiligen Außenflächen häufig nur als Übergang zwischen pädagogisch gelenkten Angeboten dient, und durch Kreativkurse am Nachmittag. Und in der weiteren Zeit sorgen Eltern entweder für Beschäftigungen mit pädagogisch wertvollem Spielzeug, oder die Kinder flüchten zu den elektronischen Medien.
Dabei bleiben viele Kompetenzen auf der Strecke, die motorische Entwicklung zum Beispiel. Das Lernen aus eigenen Erfahrungen, das viel nachhaltiger wirkt als von außen vorgegebene Lerninhalte.
Zum Weiterlesen
Christiane Richard-Elsner: Draußen spielen, Beltz Juventa, 2017.